Bild im Zusammenhang mit dem Beitrag

Silserkopf

Heute stellen wir euch Frau Hedwig Margadant vor, welche wir im Alters- und Pflegeheim in Thusis interviewt haben. Mit 100 Jahren gilt Frau Margadant als älteste lebende Silserin.

Im Zusammenhang mit unserer Portraitserie haben wir Frau Margadant einige Fragen gestellt.

• Frau Margadant, können Sie uns Ihr Erfolgsrezept verraten, wie man ein so stolzes Alter erreichen kann?

Bescheiden leben, nicht zu viel wollen. Dinge mit Freude und Zufriedenheit angehen. Man muss schliesslich nicht jedes Fest mitmachen. Trotzdem habe ich das Leben genossen.

• Wie erleben Sie im Moment Ihren Alltag?

Den Tagesablauf nehme ich hier sehr eintönig wahr. Ich mache aber auch noch Spiele, höre Radio und lese gerne Bücher und die Zeitung. In der Zeitung schaue ich zuerst immer die Todesanzeigen an. Wenn ich jemanden kenne, schreibe ich den Hinterbliebenen persönlich eine Karte. Einen Fernseher habe ich nicht, sowas brauche ich nicht. Grundsätzlich habe ich aber gerne meine Ruhe und bin gerne für mich.

• Wie und wo sind Sie aufgewachsen?

Meine Kindheit habe ich im schönen Bubendorf im Kanton Baselland verbracht. Gerne erinnere ich mich an diese Zeit. So hat es dort ein schönes Schloss und auch schöne grosse Eichen. Mit elf Jahren ist dann leider meine Mutter gestorben. Anschliessend musste ich nach Basel in ein Kinderheim. Diese Zeit hat mich sehr geprägt. Danach habe ich eine Ausbildung als Köchin gemacht.
In Bern nahe dem Bundeshaus habe ich dann später eine Lehre als Verkäuferin gemacht. Damals kam viel Prominenz aus der Politik dort vorbei. Sogar Bundesräte waren manchmal im Geschäft. Das war schon etwas Besonderes.

• Was hat Sie nach Sils geführt?

Mein Mann (Toni, leider mit 65 im Jahr 1987 gestorben), welchen ich damals in Zürich kennengelernt habe. Anschliessend sind wir dann 1948 nach Sils gezogen.

• Wie war Ihr Alltag früher?

Als wir nach Sils kamen, wohnten wir im «Heimatli». Eigentlich wollten wir eine Wohnung suchen, aber als Familie mit vier Kindern fanden wir nichts. So kauften wir damals das Haus und renovierten es. Von Vorteil war, dass mein Mann Maurer war und somit viele Sachen selber machen konnte.
Früher hatte mein Mann ein Maurergeschäft, welches im Winkel war. Während dem Bau der Kraftwerke Hinterrhein hatte die Firma bis zu 100 Arbeiter, da mein Mann von dort viele Aufträge bekam. Die meisten Arbeiter stammten aus Italien. In dieser Zeit führte ich eine Kantine bei der Baustelle der Zentrale Ferrera. Ebenfalls war ich noch als Pilzkontrolleurin tätig und auch aktiv im Frauenverein.

• Wenn Sie in die Vergangenheit schauen, was waren die grössten Veränderungen, die es ihrer Meinung nach im Dorf gegeben hat?

Ich kann mich noch gut erinnern, dass es 1948 noch keinen Asphalt auf den Strassen im Dorf gab. So hat es immer viel Staub aufgewirbelt von den Autos, wenn es trocken war. Was mir auch noch gut in Erinnerung geblieben ist, sind die Ackerstücke bei St. Cassian, welcher jeder Bürger der Gemeinde zur Bewirtschaftung erhielt. Damals hat man noch viel selber angepflanzt und bewirtschaftet.

Zudem erinnere ich mich, dass es einen Usego (Lebensmittelladen, später Coop), einen Volg, einen Wollladen, Schuhladen, Schuhmacher, eine Metzgerei, Bäckerei und sogar eine Drogerie gab.

Früher wurde das Vereinsleben viel mehr durch die Leute gelebt und auch im Dorf herrschte mehr Leben.

• Was wünschen Sie Sils für die Zukunft?

Ich wünsche mir, dass die jungen Leute Ideen haben, welche das Dorf wieder beleben. Zudem wäre es schön, wenn das Vereinsleben von den Leuten wieder mehr gepflegt wird.

Dieser Beitrag wurde in der Gruppe Pro Sils veröffentlicht.