Ungewollt lehrreich
An jedem ersten Donnerstag im Monat organisieren der Fahrdienst des Mobilen Eisdorfs für uns Ältere eine Kaffeefahrt. Normalerweise. Doch am 1. Mai war diesmal „Mit Brüder zur Sonne“ angesagt – politische Parolen statt Sahnetorte. Also wurde der Ausflug kurzerhand auf den 8. Mai verschoben.
Wie sehr interessiert uns eigentlich noch Politik?
Der Mai war bisher politisch genug – gerade für uns Deutsche. Trotzdem wollten wir diesmal einfach einen unbeschwerten Nachmittag verbringen.
Ich fuhr im Auto der Organisatorin mit.
„Was hast du diesmal ausgesucht?“, fragte ich neugierig.
Ihre Antwort: „Lass dich überraschen.“
Es war ein Maitag wie aus dem Bilderbuch. Die Rapsfelder leuchteten, die Natur war verschwenderisch in Blüte. Wir fuhren durch gepflegte Ortschaften, vorbei an stillen Feldern – ein friedliches, schönes Land.
Das Ziel:
der Parkplatz einer Burg. In deren Restaurant wollten wir einkehren. Der Name der Burg: Heldenburg.
Vor dem Kaffee ein kleiner Rundgang. Der Weg zur Spitze der Anlage war steil – aber lohnend. Die Aussicht reichte bis ins Weserbergland. Wir standen eben auf dem höchsten Punkt der Umgebung – wie es sich für eine Burg gehört.
Nur dieser Name – Heldenburg?
Ich fragte mich: Wäre ich ein Held gewesen, wenn ich auf Befehl gegen andere hätte kämpfen müssen?
Wie hätte ich danach wohl ausgesehen – innerlich wie äußerlich?
Zum Glück musste ich nie ein Held sein. Unser Kaffeetrinken war dafür umso friedlicher.
Neben uns saß eine Frauengruppe – sie strickten. Was für ein Bild! Strickende Hände, konzentriert, friedlich. Ein Symbol für Ruhe. Ich musste unweigerlich an meine Mutter denken.
Eine Frau aus der Gruppe kam auf mich zu. „Was macht dir so viel Freude?“, fragte sie.
„Das Bild eurer strickenden Hände“, antwortete ich.
Später erfuhr ich, was mich an diesem Tag wirklich belehrt hatte:
Das Wort „Held“ stammt aus dem Althochdeutschen und bedeutete ursprünglich nichts weiter als „abschüssiger Weg“. Wer hätte das gedacht? Plötzlich ergab der Name der Burg Sinn – der Weg von dort oben war tatsächlich steil. Und vielleicht waren die Ritter damals gar keine Helden im modernen Sinne.
Und das Niedersachsenross? Das nahm Herzog Albrecht I. im 14. Jahrhundert als Wappentier an. In der Heraldik steht das nach links gewendete Ross für einen kraftvollen Herrscher.
Ein Tag mit Geschichte, Aussicht, Kuchen – und einer kleinen Lektion in Demut.
Verfasser: Detlef Seidler