Bezirksregierung: AFG durch Gesamtschulplanung Roxel gefährdet

Offener Brief

Liebe Havixbeckerinnen und Havixbecker,
liebe AFG-UnterstützerInnen,
heute Nachmittag hat die Regierungspräsidentin, Frau Feller, eine wichtige offizielle Stellungnahme zum Thema „Gesamtschulstandort Roxel“ veröffentlicht. Hier ist der Link zur Aufzeichnung der Videopressekonferenz: https://youtu.be/A5YniP9HSOc
Ich persönlich begrüße das Ergebnis sehr und nehme es mit großer Erleichterung zur Kenntnis. Ich habe bei den Diskussionen in den letzten Monaten – die teilweise vor allem bei MünsteranerInnen auch sehr persönlich wurden - immer wieder festgestellt, dass viele Menschen die schulrechtlichen Zusammenhänge nicht in Gänze kennen. Das ist auch logisch, denn eigentlich ist es das Geschäft von Verwaltung und Schulpolitik. Für Interessierte möchte ich diese Stellungnahme der Bezirksregierung noch einmal ausführlich erläutern.

Worum ging es bei der Anfrage der Stadt Münster an die Bezirksregierung?
Die Stadt Münster hat bei der Bezirksregierung um eine sogenannte „Vorabeinschätzung“ hinsichtlich der Genehmigungsfähigkeit einer dritten städtischen Gesamtschule am Schulstandort Roxel gebeten und hierfür ein umfangreiches Zahlenwerk vorgelegt. Dies ist noch kein Antrag auf Genehmigung einer Schulerrichtung. Die Anfrage ist ein übliches Vorgehen im Vorfeld eines formalen Genehmigungsverfahrens nach Schulgesetz, wenn die Errichtung einer Schule kritisch sein könnte. Dies kann sein, wenn die zu erreichenden Schülerzahlen nicht sichergestellt ist oder beispielsweise die Existenz einer Schule eines anderen Schulträgers gefährdet ist. M.E. ist für den Standort Roxel beides kritisch zu hinterfragen, insbesondere aber die Gefährdung unserer AFG.
Zwei wichtige Aspekte hat die Bezirksregierung zu prüfen:
1. Gibt es ein „Bedürfnis“für die Errichtung einer neuen Schule? Das Bedürfnis ist beispielsweise dann gegeben, wenn für die entsprechende Schulformen, also einer Gesamtschule, mehr Anmeldungen als Schulaufnahmen vorlagen.
Ferner muss für die Genehmigungsfähigkeit einer Gesamtschule in Roxel durch Prognosen belegt werden, dass mindestens 100 „stadteigene“ Kinder die neue Schule besuchen würden.
2. Gibt es eine Verletzung des Rücksichtnahmegebotes? Dies wäre dann verletzt, wenn unsere AFG in ihrem Bestand „oder auch unterhalb der Bestandsgefährdung“, z.B. durch Attraktivitätsverlust gefährdet erscheint. Für die AFG mit ihren beiden Schulstandorten Billerbeck und Havixbeck bedeutet dies, dass immer ausreichend SchülerInnen angemeldet werden müssen, so dass mindest sechs Schulklassen gebildet werden können. Ist hierfür die ausreichende Anmeldezahl nicht mehr sichergestellt, wäre dies ein Verstoß gegen die erforderliche Rücksichtsnahme.
Derzeit befindet sich am Schulstandort eine Sekundarschule, die aufgrund niedriger Anmeldezahlen auslaufend ist. Für die Stadt Münster geht es daher um eine entsprechende Nachnutzung der Gebäude. Weite Teile der Politik in Münster haben sich daher auf eine Gesamtschule an diesem Standort festgelegt.
Die Bezirksregierung hat die Verwaltung vor einigen Wochen um Aktualisierung der prognostizierten SchülerInnenzahlen aus Havixbeck und Billerbeck gebeten. Wichtig dabei ist, dass die AFG immer auf eine starke Leistungsheterogenität achtet und dies auch beibehalten muss um weiterhin so erfolgreich für Havixbeck und Billerbeck aber auch die Region sein zu können.

Wie ist die „Vorabeinschätzung“ der Bezirksregierung ausgegangen?
Die erste Frage, die des Bedarfs, wird durch die Bezirksregierung positiv bewertet. Die Stadt Münster war in der Lage, ihren dringenden Bedarf darzulegen und gleichzeitig zu dokumentieren, dass die erforderliche Zahl an Anmeldungen gegeben scheint. Hierbei stützt sich die Stadt Münster auf die kleinräumige Bevölkerungsprognose.
Da diese Feststellung für eine positive Vorabeinschätzung jedoch nicht ausreicht, war für uns, die zweite Frage (s.o.) von entscheidender Bedeutung. Hierzu führt die Bezirksregierung aus, dass die AFG ja bereits seit ihrer Gründung im Jahr 1999 auf Anmeldungen aus dem Umland angewiesen ist. Auch aus den westlichen Stadtteilen von Münster kommen viele SchülerInnen an die AFG nach Havixbeck, die dann zum Großteil wegbleiben würden. Stattdessen würden sie sich für das wohnortnähere Angebot in Münster entscheiden, wenn die Stadt dies mit verbesserten ÖPNV-Angeboten nach Roxel kombinieren würde.
Ferner würde es Verschiebungen bei den Umlandgemeinden geben, die sich letztlich auch auf die Leistungsheterogenität bei den Anmeldungen auswirken könnten. Abschließend teilt die Bezirksregierung unsere Sorge, dass der drohende Verlust an Anmeldungen aus dem Umland zur Gefährdung der AFG in ihrem jetzigen Bestand führen könnte.
Das wäre dann eine Verletzung des Rücksichtnahmegebotes.

Wie geht es weiter?
Als Schulträger der AFG muss die Gemeinde Havixbeck vorerst nicht weiter aktiv werden. Die Stadtverwaltung Münster wird den Ratsmitgliedern die Einschätzung der Bezirksregierung jetzt zur Kenntnis geben. Ich gehe davon aus, dass es dann eine intensive politische Standortdebatte in Münster geben wird, an deren Ende der Stadtrat entscheiden wird, ob oder in welcher Form der Standort Roxel weiter verfolgt wird oder nicht.
Sollte die Stadtrat entscheide am Standort Roxel festhalten, wäre der nächste Schritt ein
Genehmigungsverfahren für den Standort Roxel zu starten. Dann müssten wieder neue Zahlen erfasst werden und durch die Bezirksregierung bewertet werden. Dies wäre ein langwieriger Prozess, an dessen Ende eine Entscheidung zugunsten der Stadt Münster oder der Gemeinde Havixbeck (als Schulträger der AFG) stünde. Gegen diese Entscheidung könnte dann geklagt werden. Die Gemeinde Havixbeck hat immer signalisiert, dass sie notfalls den Klageweg beschreiten würde. Daran hat sich bis heute nichts geändert, nur dass die Notwendigkeit mit der heutigen Einschätzung der Bezirksregierung nicht mehr so wahrscheinlich ist.

Meine ganz persönliche Einschätzung, meine Hoffnung und mein Dank
Nach über 20-jähriger kommunalpolitischer Tätigkeit in Münster, kann ich die Bestrebungen eine weiterführende Schule in Roxel zu haben, zunächst nachvollziehen. Gleichzeitig ist der Bedarf an einer dritten städtischen Gesamtschule in Münster offenkundig gegeben, wobei auch hier die Leistungsheterogenität bei den abgelehnten SchülerInnen immer mit im Auge behalten werden sollte.
Ich halte aber grundsätzlich, und das habe ich schon immer getan, einen Standort am äußersten Stadtrand auch aus Sicht der zu erwartenden Anmeldezahlen aus dem Stadtgebiet für falsch. Auch geben die Verkehrsbeziehungen dies nich her.
Bedenklich fand ich in den letzten Wochen die Berichterstattung der Presse in Münster, die kaum auf die fachlichen Argumente aus Havixbeck und Billerbeck eingegangen ist. So wurde auf die Inhalte des s.g. „BürgermeisterInnen-Briefes“ in Münster kaum eingegangen. Stattdessen kamen dort diejenigen zu Wort, die den BürgermeisteInnen Kirchturmpolitik vorwarfen, aber nicht auf die Argumente eingingen. Dadurch wurde eine Emotionalisierung der Thematik betrieben, die dem politischen Klima in der Stadtregion nicht gerade zuträglich war. Das sehen viele Menschen so und deshalb hoffe ich, dass mit der Stellungnahme der Bezirksregierung, die grundsätzlich neutral sein muss, wieder mehr Sachlichkeit in die schulpolitische Diskussion kommt.
In Münster, so meine Sichtweise, bekommt jedes Kind einen guten Schulplatz. Dies ist nicht immer die erste Wahl bei den Anmeldungen, aber unterm Strich geht es um die Weiterentwicklung eines bereits guten Schulsystems in der Stadt. Dies darf aber nicht zulasten des Umlandes gehen. Wenn im ländlichen Raum eine Schule von der Schließung bedroht ist, dann ist das ein echtes Desaster und es gehen Perspektiven für die Region verloren. Zwangsläufig steigt dann die Sogwirkung auf die Stadt für die Schulanmeldungen weiter. an. Wohin soll das führen? Ich wünsche mir eine bessere (stadt-)regionale Zusammenarbeit in der Schulentwicklungsplanung für die Zukunft. Dafür stehe ich als Bürgermeister von Havixbeck zur Verfügung.
Richtig ist aber auch, dass die Landesgesetzgebung für manche Herausforderungen der Zukunft verbessert werden muss. Das ist Aufgabe der LandespolitikerInnen aller Parteien.

In den letzten Monaten, Wochen und Tagen haben sich viele Akteure für die AFG eingesetzt. Dies hat auch dazu geführt, dass die fachliche Debatte ein besondere Aufmerksamkeit auf vielen Ebenen erlangt hat. Dafür möchte ich allen Beteiligten danken: (ohne Priorisierung) denen, die Unterschriften gesammelt haben, denen, die Hintergrundgespräche geführt haben, denen, die Sachargumente zusammengetragen haben, der Schulpflegschaft, dem Landrat und meinen BürgermeisterkollegInnen für das Verfassen eines gemeinsamen Briefes, den beteiligten KollegInnen in unserer Verwaltung, den Ratsmitgliedern und Parteien in Billerbeck und Havixbeck für ihre Unterstützung und nicht zuletzt der gesamten Schulleitung der AFG. HERZLICHEN DANK! Das war tolles und gemeinsames Engagement.
Ich bedanke mich aber auch bei denjenigen in Münster, die konstruktiv nach einer gemeinsam tragbaren Lösung gesucht haben.

Ihr/Euer
Jörn Möltgen