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Hunde, die nicht bloss bellen

Die Herdenschutzhunde von Schafzüchter Marcel Frei ernten nicht nur Wohlwollen – nun will er sensibilisieren.
Artikel aus dem Anzeiger Affoltern 20.10.2023

Hätte Marcel Frei das gedacht, als er seine Anstellung als Zimmermann vor ein paar Jahren aufgab, um Schafzüchter zu werden? Dass er auf dem Weideland seiner Tiere eines Tages nicht mehr nur für Kontrollen vorfahren würde, sondern auch für Fotos und Interviewtermine?

Kaum. Dann aber kam in einer Märznacht 2022 ein Wolf an seiner Schafherde in Bonstetten vorbei. Das Resultat: 26 tote Mutter- und Jungtiere. Der Schock bei Frei sass tief, die Wut auch. Seither geht er in Sachen Herdenschutz eigene Wege. Wann immer die Debatte zum Schweizer Wolfsbestand neu entflammt, macht Frei lieber eine pointierte Ansage statt die Faust im Sack. Im Januar sprach er sich in einer Talksendung für die Dezimierung des Wildtiers aus. In der Schweiz gebe es «Risse am Laufmeter», betonte er im Streitgespräch mit dem Geschäftsführer von Pro Natura Aargau. Die NZZ liess er wissen: «Sollte ich ­eines Tages einen Wolf bei meiner Herde entdecken, hole ich die Flinte aus dem Auto.»

Viel Gebell – von Hund und Mensch

Freis eigener Weg sah auch vor, dass er seine Herde fortan von Schutzhunden bewachen liess. Von einem Bekannten lieh er sich nach den Verlusten in Bonstetten umgehend zwei Maremmen-Abruzzen-Schäferhunde. Zur Ruhe kam der Schäfer dennoch nicht. Zweimal fand er Anfang Jahr im aargauischen Auw ein verletztes Tier vor. Hinzu kamen mehrere kaputte Zäune und Pfotenabdrücke. Um Gewissheit zu haben und zu beweisen, dass der Wolf im Unterland weiterhin eine reale Bedrohung darstellt, montierte Frei eine Weidekamera und legte sich mit dem Nachtsichtgerät auf die Lauer. Fotobeweise blieben allerdings aus. Gegner sagen ihm nach, er sehe Wölfe, wo andere sie nicht sähen.

Was dagegen nicht ausblieb, waren die Reaktionen zu seinem Herdenschutz-Konzept. «Ja», räumte Frei im Februar gegenüber der Aargauer Zeitung ein, «in gewissen Teilen der Bevölkerung ecken wir mit unseren Hunden ziemlich an.» Näherten sich Fussgänger oder Velofahrerinnen der Weide, schlugen die Hunde ihrem Auftrag gemäss Alarm und beschützten ihre Herde laut bellend. Dasselbe taten sie bei Füchsen oder anderen Wildtieren. Das nächtliche Gebell und die furiosen Verteidigungsmanöver sorgten auf den Gemeindeverwaltungen mehrfach für Reklamationen. Schafzüchter Frei sah sich in einer vertrackten Situation: «Wir sind angehalten, unsere Tiere zu schützen. Doch wenn wir das tun, ist die Art und Weise wieder nicht recht.» Der Umgang mit dem Wolf sei ein politischer Entscheid des Stimmvolks, nun müsse dieses auch zu Eingeständnissen bereit sein, findet Frei: «Es ist doch verständlich, dass ich nichts unversucht lasse, um meine Schafe zu schützen. Die Hunde sind meine Versicherung.»

Campieren neben der Weide

Um im Bild zu sein, was sich bei seinen knapp 400 Tieren abspielt, übernachtet Marcel Frei mittlerweile regelmässig neben seiner Schafherde. Im Frühling haben er und seine Frau sich dafür eigens einen Wohnwagen angeschafft. Bis dahin hatte er seinen Herden jede Nacht mehrere Kontrollbesuche abgestattet, was kräftezehrend gewesen sei – und wegen der Fahrkilometer auch teuer. Das Campieren vor Ort ermöglicht es ihm ausserdem, seine beiden Welpen im Auge zu behalten, die er aktuell zu Herdenschutzhunden ausbildet. Sie sollen die korrekten Reflexe erlernen und ihre Eignungsprüfung in ein paar Monaten bestehen.

Info-Veranstaltung in Bonstetten

Ab diesem Wochenende weiden die Schafe von Marcel Frei in der Ebene zwischen Wettswil und Bonstetten. Spätestens Montag trifft die Herde, die ­zwischen 150 und 250 Tieren zählt, dort ein, um sich via Hedingen und Affoltern durch das Säuliamt zu «fressen», bis sie kurz vor Weihnachten Ottenbach erreicht. Um die Bevölkerung auf Begegnungen mit seinen Herdenschutzhunden zu sensibilisieren, gegenseitiges Verständnis zu schaffen und Konflikten vorzubeugen, veranstaltet Marcel Frei am Sonntag, 29. Oktober, in der Ebene zwischen Wettswil und Bonstetten einen Info-Nachmittag. Alle Interessierten seien herzlich willkommen, sagt Frei, «Nur Hunde sollten zu Hause bleiben». Diese würden von seinen Schutzhunden als Gefahr wahrgenommen. Spaziergängern mit Hunden rät er generell, seine Weide grossräumig zu meiden, da nicht auszuschliessen sei, dass die Hunde über den Zaun springen und angreifen, wenn sie die Bedrohung als sehr akut wahrnähmen. Fussgängern ohne Hunde empfiehlt er, sich am Weidezaun ruhig zu verhalten und allenfalls kurz stehen zu bleiben, sollten die Hunde bellend herangerannt kommen. «Wer sich auf dem Velo nähert, steigt bei der Weide am besten kurz ab, bis die Tiere sich beruhigt haben», sagt Frei, so wie er das auch auf den Tafeln rät, die er rund um das Weidegelände aufstellt.

Informationsanlass zum Verhalten von Herdenschutzhunden, Sonntag, 29. Oktober, 14 bis 17 Uhr, bei der Schafweide in der Ebene Wettswil

 
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Dieser Beitrag wurde in der Gruppe Infos aus dem Gemeindehaus veröffentlicht.