„Verdrängt, verdeckt, vergessen. St. Georgen im Nationalsozialismus“
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Vier Workshops liegen hinter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des St. Georgener Einzelprojekts von „Das Dritte Reich und wir“. 25 Bürgerinnen und Bürger der verschiedenen St. Georgener Ortsteile haben sich in den vergangenen eineinhalb Jahren mit der Geschichte ihres Heimatortes zu Zeiten des Nationalsozialismus auseinandergesetzt. Eine Ausstellung im Rathaus präsentiert nun die Ergebnisse des Projekts.
Die Bürgerinnen und Bürger haben sich nach einer längeren Recherchephase dazu entschlossen, insbesondere fünf Themen in den Blick zu nehmen: Den Konflikt innerhalb der evangelischen Kirchengemeinde, Zwangsarbeit und Rüstungsindustrie, Soldatenbiografien, Euthanasieopfer und die SS-Berufsschule.
Zum ersten Mal überhaupt stellt die Ausstellung die fünf aus St. Georgen stammenden Euthanasieopfer vor. Dafür haben die Bürgerinnen und Bürger vor Ort und die Historiker des Projektteams im Bundesarchiv und den Landesarchiven nach Quellen gesucht. Dank vieler überlieferter Briefwechsel aus der Kriegszeit war es möglich, Auszüge aus Briefen einzusprechen. Diese werden den Besucherinnen und Besuchern in einem eigenen Raum vorgestellt.
Ute Scholz, zusammen mit Gerhard Mengesdorf Projektleiterin, betonte: „Das Projekt hat uns gefordert, denn wir mussten erst sehr viele Quellen zusammentragen. Dann mussten wir die allermeisten dieser Quellen wieder aussortieren. Denn bei einer Ausstellung kann man nur ganz wenige Fundstücke präsentieren." Gerhard Mengesdorf möchte daher auch nach Ende dieses Projekts die Aufarbeitung der NS-Zeit fortführen: „Ich würde mir wünschen, dass wir die offenen Fragen anschließend noch weiter besprechen können und vielleicht noch weitere Bürgerinnen und Bürger zu unseren Gesprächen einladen können." Mengesdorf wünscht sich, dass die Materialien auch als Buch oder Podcast zugänglich gemacht werden.
Dr. Clemens Tangerding, der das Projekt betreute, hofft, dass die Ausstellung zu einer neuen Auseinandersetzung mit der Zeit führt. „St. Georgen ist nicht nur das nette, kleine Schwarzwaldstädtchen, für das ich es am Anfang hielt. Vor allem aufgrund seiner Industriegeschichte hat sich die Geschichte des Nationalsozialismus hier stark widergespiegelt." Tangerding hofft, dass die Ausstellung dazu anregt, sich stärker auch mit dem Verschwiegenen auseinanderzusetzen: „Wenn es uns gelingt, das Schamhafte auszusprechen und uns nicht gegenseitig zu verurteilen, dann haben wir viel gewonnen."
Das bundesweite Projekt »Das Dritte Reich und wir« ist eine Kooperation der Justus-Liebig-Universität Gießen und des Deutschen Feuerwehrverbands e.V.. Es wird gefördert von der Bundeszentrale für politische Bildung und vom Beauftragten der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus.
Die Ausstellung wird verlängert und ist vom 11.04. bis zum 17.04.23 im Untergeschoß des Rathaus St. Georgen zu sehen sein. Öffnungszeiten sind Montag bis Freitag von 08.30 Uhr – 12:30 Uhr, Montag, Donnerstag, Freitag, 14 Uhr bis 18 Uhr, Dienstag und Mittwoch 14 Uhr bis 16 Uhr, Samstag und Sonntag von 14 Uhr bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei.