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Das Gedenken braucht einen Ort

Initiativgruppen aus Königsfeld und St. Georgen waren am 27.09.25 auf den Spuren der nationalsozialistischen „Euthanasie“-Verbrechen in Baden-Württemberg

Aus heutiger Sicht markiert die systematische Ermordung von körperlich, geistig und psychisch behinderten Menschen im Rahmen der nationalsozialistischen „Euthanasie“-Programme einen historischen Zivilisationsbruch von kaum fassbarem Ausmaß. Umso wichtiger ist es, die Erinnerung an die Geschichte wachzuhalten.
Mit diesem Anliegen besuchten die Initiativgruppen „NS-Opfer Königsfeld“ und „Das Dritte Reich und Wir“ aus St. Georgen das Württembergische Psychiatriemuseum in Zwiefalten sowie die Gedenkstätte Grafeneck. Beide Orte stehen für die Verbrechen der sogenannten „Aktion T4“. Zwischen April und Dezember 1940 wurden 10.654 Männer, Frauen und Kinder aus fünfzig Heil- und Pflegeanstalten in Baden-Württemberg und Bayern nach Grafeneck deportiert – und dort in einer Gaskammer grausam getötet und dann verbannt.
Auch aus Königsfeld und St. Georgen stammten Betroffene. Die rund dreißig Teilnehmer und Teilnehmerinnen der Bildungsfahrt erfuhren in den Einführungen von Gerhard Mengesdorf und Gunther Schwarz von deren Schicksalen. Wie diese Menschen zunächst in Zwiefalten gesammelt und anschließend in den berüchtigten „Grauen Bussen“ weitertransportiert wurden, verdeutlichte Ingrid Dümmel bei ihrer Führung durch das Psychiatriemuseum.
Die Notwendigkeit, die einzelnen Schicksale sichtbar zu machen und zu dokumentieren, sei heute dringlicher denn je, betonte am Nachmittag der Sozialpädagoge Rudi Giest-Warsewa in einem bewegenden Vortrag. „Das Gedenken braucht einen Ort“, zitierte er den Leitgedanken der Bildungsarbeit in Grafeneck. Nur so verliere es sich nicht im Abstrakten, sondern bleibe für die Gegenwart greifbar. Er wies dabei auch auf die SWR-Produktion „Die Mordfabrik auf der Schwäbischen Alb“ hin, die heute noch auf Youtube abrufbar ist. Bei einem Rundgang über das Gelände konnten sich die Gruppe aus dem Schwarzwald davon ein eigenes Bild machen.
Heute ist in der ehemaligen Tötungsanstalt wieder Leben eingekehrt: Getragen vom Engagement der Samariterstiftung finden Menschen mit Behinderung dort seit 1946 wieder Wohn- und Arbeitsmöglichkeiten.
So endete ein Tag, der trotz vieler schmerzhafter Eindrücke hoffnungsvoll stimmte. Zum Abschluss bot das Theater im Deutschen Haus Raum für Austausch und gemeinsame Reflexion. Diese Fahrt machte den Teilnehmenden deutlich, dass die Schrecken der NS-Zeit auch in unserer weiteren Region stattfanden und ihre Zeugen hinterließen. Die Organisatoren dankten allen Unterstützern und kündigten weitere Aktivitäten für das kommende Jahr an. Auch in Königsfeld und St. Georgen, so die Überzeugung der Versammelten, soll das Gedenken seinen Ort haben.

Bildunterschrift: Über 9.000 Namen der Ermordeten sind heute bekannt und in einem öffentlichen Gedenkbuch verzeichnet (rechts).

Dieser Beitrag wurde in der Gruppe Das dritte Reich und wir veröffentlicht.