Die wunderliche Geschichte der «Jazz-Suite Nr. 2»
In seiner berühmten Geschichte «Ein Tisch ist ein Tisch» erzählt Peter Bichsel von einem alten Mann, der dem Tisch nicht mehr Tisch sagte, sondern Teppich. Dem Bett sagte er Bild. Dem Stuhl sagte er Wecker. Der Zeitung sagte er Bett. Dem Spiegel sagte er Stuhl. Dem Wecker sagte er Fotoalbum. Und so weiter… Der Mann blieb also am Morgen lange im Bild liegen, um neun läutete das Fotoalbum, der Mann stand auf und stellte sich auf den Schrank, damit er nicht an den Füssen fror, dann nahm er seine Kleider aus der Zeitung, zog sich an und schaute in den Stuhl an der Wand.
«Name ist Schall und Rauch» heisst eine Redensart. Sie bedeutet: Wie etwas heisst, ist nicht wichtig, auf den Inhalt kommt es an. Das gilt auch für das Stück von Dmitri Schostakovitsch, das wir an unserem Kirchenkonzert spielen werden (8. Dezember, 17 Uhr, Römisch-katholische Bruder-Klausen-Kirche). Viele nennen das Stück «Jazz-Suite Nr. 2» und so wird es auch auf vielen CD’s bezeichnet. Doch das ist gar nicht der richtige Name. Seit im Jahre 1999 verschollen geglaubte Noten entdeckt wurden, weiss man, dass das Stück eigentlich «Suite für Varieté-Orchester» heisst und es sich bei der «Jazz-Suite» um ein ganz anderes Werk handelt (mehr dazu hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Suite_für_Varieté-Orchester).
Eine wunderliche Geschichte. Beim Schreiben des Konzert-Programms haben wir gegrübelt, wie wir das Stück denn jetzt bezeichnen sollen. Jazz-Suite? Varieté-Suite? Eigentlich ist es ja egal, beweist Peter Bichsels Erzählung. Wichtig ist nicht, wie das Stück heisst, sondern wie es tönt. Was zählt, ist nicht der Name, sondern die Musik!